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Mass Effect – Gedanken

Fangen wir mal mit meinen ersten Eindrücke zu Mass Effect an, wie ich sie am 18.Februar bei Facebook festgehalten hatte. Das Datum dieses Beitrags setze ich grob auf den Zeitpunkt, an dem ich Horizon Zero Dawn beendet habe, denn das hat mich dazu gebracht, noch einmal über Mass Effect nachzudenken.

Screenshot einer Textkachel von Facebook mit dem Text "Erster Besuch auf der Citadel und ich habe das Gefühl, in ein halbes Dutzend schlecht vertuschter Skandale hineingeraten zu sein #MassEffect"

Erzählerstimme: Es waren eher ein Dutzend schlecht vertuschter Skandale.

Zum Abendessen habe ich #MassEffect mal beendet.

Meine ersten Eindrücke: Neben meinen Squad-Mitgliedern sind die einzigen weiblichen Charaktere, die nicht total unpraktisch bodenlange Kleider tragen, Dr. Michel und die Crewfrau, die mir den Zutritt zur Normandy verweigert.

Die Kleider interpretiere ich auch als modische Übernahme von den Asari, da sie für meinen Geschmack nicht wie das Ergebnis menschlicher modischer Entwicklung aussehen.

Generell scheinen auf der Citadel alle weiblichen Charaktere entweder Menschen oder Asari zu sein. Ich habe keine Tularianer oder Sarianer oder sonst was gesehen, die ich als weiblich gelesen hätte. Volus, Elcor, Hanar – sie wirken alle männlichen Geschlechts. Da es bei den Asari explizit erwähnt wird, dass die Spezies exklusiv weiblich ist, nehme ich an, dass sie geschlechtliche Besonderheiten bei den anderen Völkern erwähnt hätten. Natürlich kann es sein, dass Geschlechter bei anderen Völkern für Menschen nicht erkennbar sind. Das wäre mal ganz nett, hätte aber auch eine Erwähnung wert sein können.

Generell scheinen nur Spielercharaktere und ganz besondere NSC bei den Menschen nicht einem 08/15-Modell zu folgen, wobei viele Frisuren bei den Frauen sehr ähnlich sind. Ja, ich habe mir die männlichen Statisten nicht so genau angesehen, gebe ich zu.

Auffällig finde ich weiterhin, dass es zwar vereinzelte PoC-Menschen gibt –allen voran Captain Anderson–, ansonsten aber die dominante Hautfarbe eher käsig-kaukasisch ist. Bathia, der die Leiche seiner Frau haben wollte, war die andere bemerkenswerte Ausnahme. Und ich glaube, in der Botschafter-Lounge saß noch ein BPoC-Mann.

Die Kombination aus Beinahe-Einheitskleid, Einheitsfrisur und Einheitshautfarbe sorgt für ein, sagen wir mal, recht gleichförmiges Bild (um nicht zu sagen "einfallsloses"). Ja, ich verstehe, man wollte wenig Ressourcen auf Hintergrund-Design verschwenden. Aber selbst bei den Asari gibt es mehr Hauttöne als bei den menschlichen Statisten. Und bei den Kleidern haben sie auch ein wenig an den Farbpaletten gespielt, das hatte doch auch bei der Hautfarbe drin sein können.

Was mich total kirre macht, sind die fetten Lidstriche bei den menschlichen Frauen. Jede einzelne, ob Zivilistin oder Soldatin, läuft mit Lidstrich umher. Natürlich können auch Soldatinnen Make-up tragen, aber dass da keine Varianz drin ist, zeigt mMn, dass da irgendwelche Männer mit eigenwilligen Vorstellungen von weiblichen Charakterdesigns die Entscheidungen getroffen haben.

Ich werde nach diesem Fokus auf die weibliche Repräsentation beim nächsten Mal auf die männliche achten. Meine Erwartungen sind da gering. Vielleicht mehr Charakterdesigns, individuellere Gesichter, aber grundsätzlich öde Outfits in öden Farben mit konventionell männlicher Darstellung.

Ansonsten habe ich bei der Erkundung der Citadel starke Assoziationen zu Knights of the Old Republic. Es wirkt ein wenig so, als wäre die Absicht gewesen, ein Setting zu entwickeln, das die Vielfalt, Fortschrittlichkeit und Atmosphäre von Star Wars KOTOR einfängt, ohne Star Wars zu sein, aber eine eigenständige Geschichte erzählt. Das ist explizit kein Vorwurf. KOTOR war ein großartiges Spiel, das zeigte, dass man mit dem Setting mehr machen kann als LucasFilm gewagt hat. Und die Atmosphäre, der Flavour bietet noch viel mehr Raum.

Natürlich sind auch Parallelen zu Babylon 5 zu sehen, weniger von Star Trek. Der abzusehende Fokus auf die galaktische Geschichte wird früher oder später auch Ähnlichkeiten zu Star Control 2 und bestimmt auch Starflight zeigen, wenn auch die letztgenannten mehr Mut beim Design der Aliens zeigten (wobei "Design" bei einem EGA-Grafik-Spiel aus den 80ern schon eine sehr mutige Wortwahl darstellt). KOTOR meets B5 trifft es im Moment aber noch am besten.


Die weibliche Shephard mit ihrem Standard-Skin –rote, schulterlange Haare– auf der Citadel, der mutmaßlich von Protheanern erbauten Raumstation

Am Anfang wirkte alles noch so überschaubar.

Ich habe im Anschluss fast zwei Monate lang die Mass Effect Legendary Edition gespielt, die aus allen drei Teilen und meines Wissens allen DLC besteht. 207,9 Stunden habe ich damit laut Steam verbracht. Aber ich habe die Spiele nicht weiter bei Facebook kommentiert. Weil ich in meinen ersten Gedanken meinem Gefühl nach recht harsch über manche Aspekt geurteilt habe, will ich das hier noch "schnell" abhandeln.

Shephard und Garrus beim Tanzen. Er bezichtigt sie der "Leeren Versprechungen".

In Sachen Hautfarben gibt es im Verlauf noch ein bisschen mehr Abwechslung, aber der Fokus bleibt doch auf sehr weißer Haut. Die weiblichen Körper sind weitestgehend identisch, konventionelle Schönheiten. Jack in Mass Effect 2 wirkt dürrer, sehniger, drahtiger, aber richtig rundliche Körper unterschiedlicher Größe gibt es nicht. Abseits der Citadel gibt es auch andere Kleidung für Frauen, sogar schon auf der Citadel. Tatsächlich scheint es für jeden Abschnitt dort andere Outfits zu geben.

Bei den Männern gab es von Anfang an ein wenig mehr Variation bei den Gesichtern, die Figuren wirken aber auch größtenteils identisch. In den Teilen 2 und 3 bessert sich das alles ein wenig.

Repräsentation menschlicher Vielfalt ist bei einem SF-Setting für mich mittlerweile ein neuralgischer Punkt, und da schwächelt Mass Effect in meinen Augen. Aber das ist ja immer noch in bester Tradition der großen Vorbilder, wo Spezies schablonenhaft dargestellt werden.

Immerhin sind die Spezies dann doch nicht alle monolithische Blöcke, sondern es werden Individuen mit eigenen Bedürfnissen, Zielen und Methoden dargestellt, auch wenn sie teilweise eher ungelenk wirken. In Anbetracht des Alters des ersten Teiles finde ich das alles aber noch nachvollziehbar.

Die anderen beiden Teile?

Spielerisch finde ich die gesamte Trilogie großartig, das möchte ich vorweg schreiben. Was es mir schwer macht, Mass Effect als großen Wurf zu bezeichnen, sind die Auswirkungen der Entwicklung der Spiele auf die Story. Dieser Thread bei Reddit führt viele der Probleme auf. Dass am Ende die zahlreichen Entscheidungen nur wenig Auswirkungen auf die Quantität der Enden, sondern nur auf die Qualität haben, finde ich persönlich verschmerzbar. Bei einem Spiel dieser Länge und bei meinem Spiele-Backlog ist meine Motivation zum erneuten Durchspielen eher gering.

Nein, ich hatte eher irgendwann nur noch zerknirscht neue Details über die Story und insbesondere die Hintergrundgeschichte zur Kenntnis genommen. Was mich dann total vom Glauben hat abfallen lassen, war, dass ich nachlesen konnte, wie dieser oder jener Inhalt Teil eines DLC gewesen sein soll, wo ich mich fragte, was der Schwachsinn soll.

Screenshot von der Party im Apartement auf dem Silversun Strip

Party!

Ich habe oben mehrere potentielle Vorbilder genannt. Und Mass Effect hat es leider nicht geschafft, mir eine Hintergrundgeschichte zu liefern, wie einst die von den Leghk, die dem Uhl zu Opfer fielen, oder was das Endurium tatsächlich ist. Oder auch, wie die Ur-Quan begannen der Eternal Doctrine zu folgen, die sie gegen ihre Kohr-Ah-Cousins auf dem Path Of Now And Forever verteidigten. Die Motivation der Reaper bleibt bis zum Ende … ein Witz. Ich würde gerne eine weniger despektierliche Wortwahl finden, aber alles andere, was mir einfällt, fühlt sich unangemessen an. Selbst die Motivation von Schatten und Vorlonen fühlt sich im Rahmen der Story von Babylon 5 nachvollziehbarer an.

Ich glaube den Menschen, die an der Entwicklung beteiligt waren, dass sie andere und auch größere Pläne insbesondere für Mass Effect 3 hatten. In einem Kommentar zu meinem Beitrag, in dem ich mein Durchspielen von Horizon Zero Dawn verkündete, schrieb ich:

Stimmt, MEs Entwicklung fällt ja in die Zeit, wo Monetarisierung durch DLCs so Richtung Fahrt aufnahm. Ich habe ja "nur" die Legendary Edition gespielt, die ja alles enthielt. Und erst nachdem ich die LE gespielt hatte, bzw. nach dem jeweiligen Teil, las ich so ein bisschen, was die einzelnen DLCs eigentlich beinhaltet hatten, und teilweise empfand ich das schon als extrem lächerlich.

Ich erinnere mich an Expansion-Packs von Wing Commander 1 auch WC2 (Secret Mission resp. Special Operations), die ja ihr jeweiliges Hauptspiel um jeweils eine komplette Kampagne und auch neue Schiffe ergänzt haben. Und ich sehe jetzt bei HZD wie sie mit FW für mich zusätzliche 20 bis 30 Stunden an Spiel integriert haben. Dahingehend ist albern, was sie bei ME3 fabriziert haben. Der letzte Proteaner ein DLC? Ernsthaft? Dafür wurden die Spieler*innen zur Kasse gebeten? Erst einmal waren das vielleicht ein bis zwei Stunden zusätzliches Spiel, andererseits war das so elementar, dass das nie ohne diese Inhalte hätte verkauft werden dürfen. Leviathan wiederum wirkte einfach nur drangeklatscht. Und komplett hätte ich auf den Silversun-Strip-Kram verzichten können. Die ganze Jagd auf den Shepherd-Klon hatte irgendwie so die Atmosphäre einer Comedy-Episode in einer ansonsten ernsten Serie. Ja, ich musste zwischendurch lachen, aber es wirkte … unpassend. Ich nehme an, der Silversun Strip diente eher so als Hub für die Multiplayer-Komponente, die ich ja (glücklicherweise) nicht erleben konnte.

Aber bei allem Verständnis für die Schwierigkeit des Studios bei der Entwicklung: Die Story fängt stark an, wird aber schwach und schwächer, je mehr man von ihr erfährt. Das hätte nicht sein müssen. Die Motivation der Reaper ist dämlich und der Grund für ihre Existenz ist Blödsinn.

Shephard auf der Flucht zur Normandy beim Anflug auf das Alpha-Portal

Das sind schon Szenerien mit Atmosphäre.

Ich werde sicher niemandem vorschreiben, dass meine Meinung zur Story die endgültige Wahrheit zu sein hat. Ich werde auch niemanden dafür verurteilen, wenn sie oder er die Story toll findet. Die Mass-Effect-Trilogie ist immer noch eine tolle Spielereihe, die sich sehr geschmeidig spielte (vielleicht abgesehen vom Inventarmanagement im ersten Teil). Atmosphärisch war sie großartig, mir trübte nur die Story den Gesamteindruck.


Spannenderweise hatte ich vor mehr als 10 Jahren schon einmal etwas zu Mass Effect gelesen und auch bei Facebook gepostet: The Problem With Modern Games. Es hat nur am Rande mit meiner Beurteilung zu tun, aber ich finde das Geschriebene durchaus gerechtfertigt.

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